Die RNZ berichtet über die Podiumsdiskussion am 3. Heidelberger Literaturherbst
Verlage der Stadt stellten sich im DAI vor - Von Delhi bis Kapstadt
Von Heribert Vogt
Kleine Verlage ganz groß - zumindest was die inhaltliche Weite ihrer Bücher betrifft.
Diesen Eindruck hatte man bei einer Diskussionsveranstaltung beim 3. Heidelberger
Literaturherbst im DAI, bei der Frauen aus fünf örtlichen Verlagen über ihre
Arbeitswelt sprachen. Denn die dort entstandenen Titel reichen von Delhi in Indien
bis Kapstadt in Südafrika. Aber nicht nur darauf waren die Teilnehmerinnen stolz,
sondern auch und in erster Linie auf ihre anspruchsvollen Programme. Zudem
macht es den Verlagsfrauen Freude, wertvolle Produkte herzustellen und zu
vermitteln. Einen besonderen Schub haben auch die kleinen Verlage durch den
Status Heidelbergs als Unesco City of Literature erhalten, in deren Netzwerk ihnen
eine stärkere Sichtbarkeit zuwächst. Geträumt wird von einer lokalen Buchmesse.
Moderiert wurde die Diskussion von Inka Bankwitz, der Regionalsprecherin der
Rhein-Neckar BücherFrauen. Zu den Gesprächsteilnehmerinnen zählte Regina
Wehrle vom veranstaltenden Mattes Verlag mit dem Schwerpunkt Wissenschaft und
Sachbuch. Für den auf Übersetzungen indischer Literatur und Südasien
spezialisierten Draupadi Verlag, der auch deutsche Romane veröffentlicht, war
Ursula Gramm dabei. Den Kurpfälzischen Verlag mit regionalen Titeln vertrat die
Verlegerin Claudia Rink, und Bettina Weiss nahm für kalliope paperbacks mit
Afrikabüchern teil. Die Fünfte im Bunde war Marie Goldschmidt für den Morio
Verlag - sie reiste von Halle an, denn Morio ist ein Imprint des Mitteldeutschen
Verlags.
Konkrete Schlaglichter auf die Verlage warfen die Buchfrauen mit ihren
Lieblingsbüchern. Hier nannte Regina Wehrle (Mattes) den Titel „Quintessenz.
Essays zur englischen und amerikanischen Literatur“ des früheren Heidelberger
Anglisten Rudolf Sühnel. Ursula Gramm (Draupadi) entschied sich für das Buch
„Die Mauern von Delhi“ mit zwei Erzählungen des indischen Hindi-Schriftstellers
Uday Prakash, während Claudia Rink (Kurpfälzischer Verlag) auf den jüngst
erschienenen Titel „Stolpersteine in Heidelberg“ über Opfer der Nazizeit verwies.
Sodann führte Bettina Weiss (kalliope paperbacks) das von ihr auch übersetzte Buch
„Begegnung mit einer Vergessenen“ an, den Debütroman der Kapstädter Autorin Anne Schuster über zwei Frauen {deren Geschichte sich über zwei Jahrhunderte spannt, zeitlos und mutig; ein Buch über Moral und Macht, den Kampf der Geschlechter und die Selbstbestimmung der Frau - Anmerkung des Verlags}. Zuletzt hob Marie Goldschmidt (Morio) die Reihe deutscher Erstübersetzungen hervor, in der nach Titeln von Arthur Conan Doyle und James Matthew Barrie für 2018 ein Reisebericht der„Frankenstein“-Autorin Mary Shelley geplant ist.
Es ist klar, dass es Kleinverlage im umkämpften Buchmarkt nicht leicht haben.
Bettina Weiss liefert mit kalliope eine „One-Woman-Show“, in manchen Verlagen ist
man zu zweit oder man arbeitet mit freien Mitarbeitern. Da können keine großen
Zahlen zustande kommen, Bettina Weiss etwa hat in dreizehn Jahren 15 Titel
publiziert. Diese Einzelkämpfer sind im Prinzip für alles zuständig, von der
Manuskriptannahme bis zum Druck, vom Lektorat bis zu Vertrieb und Werbung.
Aber gerade diese ganzheitliche Betreuung eines Buches macht für die Verlagsfrauen
den Charme ihrer Arbeit aus: Die Bücher werden so zu „Kindern“. Die dennoch grundsätzlich gefährdet sind. Das beginnt mit der Finanzierung der Titel, für die neben den Verkaufserlösen auch Sponsoren- oder andere Fördergelder eingeworben werden müssen. Immerhin ermöglicht es der Digitaldruck, erst einmal mit kleinen Auflagen im dreistelligen Bereich zu beginnen. Dann waren technische Entwicklungen wie das E-Book oder der freie Internet-Zugang Open Access zu wissenschaftlicher Literatur Thema, aber beide Phänomene spielen für die Kleinverlage offenbar eine untergeordnete Rolle. Und so lautete der Grundtenor: Wir leben in Heidelberg noch auf einer „Insel der Seligen“ mit etwa 40 Verlagsadressen, wo Bücher gelesen werden - vor allem jedoch von älteren Menschen.
Im Ganzen hatte man im DAI den Eindruck, dass die Kleinverlage in der Nische eher
ihr eigenes konkretes Ding machen als dass sie sich von schwierigen Rahmenbedingungen einschüchtern lassen. Und in dieser Position nutzen sie Messen, Medien oder auch die Internetadresse „LovelyBooks.de“ für ihre Zwecke. Auch mit dem von Moderatorin Inka Bankwitz ins Spiel gebrachten feministischen Ansatz, demzufolge die Buchbranche zwar mit 80 Prozent Frauen eine weibliche sei, ohne dass sich dies jedoch in den Führungspositionen widerspiegele, konnten die Diskutantinnen in ihren überschaubaren Arbeitsdimensionen nicht viel anfangen,
weil dort für Quoten überhaupt kein Platz ist. Vielmehr scheint in diesem Segment für beide Geschlechter gleichermaßen oft Selbstausbeutung angesagt - aber immerhin eine, die Spaß macht.